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"Wir wollen als Team ein Zeichen setzen"
Philipp Kötzsch und Eric Ranninger im VfL-Doppelinterview
12. April 2020
Sie wechselten im Sommer 2019 zum VfL Pirna-Copitz, sie wurden Leistungsträger und sie vermissen Teamkollegen und Spielbetrieb. Philipp Kötzsch und Eric Ranninger haben sich auf Anhieb voll mit dem Klub identifiziert. Auch sportlich lief es für den Mittelfeld- und Abwehrspieler hervorragend - mit der Mannschaft des VfL-Trainerduos um Frank Paulus und Enrico Mühle gehörten sie zur Landesliga-Spitzengruppe. Doch dann kam das Coronavirus - und die Fußball-Pause. Im VfL-Doppelinterview sprechen Kötzsch und Ranninger über die aktuelle Situation, Training zu Hause, Solidarität und die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit ihren Teamkollegen.
VfL-Doppelinterview mit Kötzsch und Ranninger
Das Coronavirus trifft auch den Amateurfußball massiv. Bundesweit muss der Spiel- und Trainingsbetrieb ruhen. Der VfL absolvierte zuletzt am 7. März eine Landesliga-Partie. Wie seid Ihr als Mannschaft momentan in Kontakt?
Philipp Kötzsch: "Natürlich merkt man, dass es durch die ganzen Kontaktbeschränkungen momentan viel schwerer ist, untereinander im regen Austausch zu sein. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Bei uns läuft zurzeit sehr viel über das eine oder andere Telefonat und über WhatsApp. Wir haben eine eigene Gruppe, die wir sehr aktiv nutzen."
Eric Ranninger: "Enni (Enrico Mühle, Anm. d. Red.), unser Co-Trainer, hat erst neulich ein Bild vom Rasenplatz im Willy-Tröger-Stadion geschickt. Da war schon mächtig Bewegung in unserer WhatsApp-Gruppe. Das Geläuf sah gut aus, wenngleich es wahrscheinlich vielen von uns auch einen kleinen Stich ins Herz versetzt hat, weil an gemeinsames Training oder Punktspiele momentan leider nicht zu denken ist. Wir schreiben viel miteinander, nutzen auch die Möglichkeiten der Videotelefonie. Das ist zwar nicht ganz so persönlich wie von Angesicht zu Angesicht, aber das geht schon."
Rasenkunst im Willy-Tröger-Stadion. Foto: VfL
Habt Ihr so etwas wie einen Trainingsplan oder hält sich mehr oder weniger jeder für sich fit?
Eric Ranninger: "Was das Training anbetrifft, haben wir vom Trainerteam eine grobe Richtung bekommen – eine Art Orientierung. Es ist jeder von uns eigenverantwortlich gefordert, sich fit zu halten – so gut es eben geht. Läufe sind ja erlaubt, Kräftigungsübungen kann man ja auch zur Not in der Wohnung machen. Wir sind alt genug, haben einige Spieler mit etwas mehr Erfahrung. Da weiß jeder so ziemlich genau, was sein Körper am ehesten braucht, um eine gewisse Grundfitness zu halten. Allerdings ersetzt all das kein Mannschaftstraining, aber da müssen wir durch – ob wir wollen oder nicht. Und den anderen Teams geht es ja genauso ..."
Philipp Kötzsch: "In der aktuellen Phase zeigt sich auch, wie selbstdiszipliniert, eigenverantwortlich und kreativ man unterwegs ist. Da auch die Fitnessstudios geschlossen haben, muss man sich eben mit einem Workout zu Hause helfen. Wir haben eine sehr intakte Truppe mit echt guten Charakteren – da bin ich mir sicher, dass jeder versucht, das Beste aus der Situation zu machen, ehe wir wieder gemeinsam trainieren können."
Ranninger im Defensiv-Zweikampf. Foto: M. Förster
Die finanziellen Auswirkungen sind ebenfalls gravierend. Amateurfußballer auf Landesebene können sich durch das Kicken oft auch ein wenig Geld „dazuverdienen“, gleichzeitig sind die Amateurvereine finanziell stark betroffen. Wie nehmt Ihr dieses Thema wahr: Kann man als Amateurkicker so solidarisch sein wie manch Profifußballer, der ja aber insgesamt deutlich mehr verdient, oder trifft es im Amateurfußball viel mehr Spieler hart, weil manchen einfach der kleine Zusatzverdient für die Familie wegbricht?
Eric Ranninger: "Ich finde, das lässt sich nur schwer pauschalisieren. Natürlich fällt es einem Profi von Bayern München oder Borussia Dortmund wohl etwas leichter, auf den einen oder anderen Euro zu verzichten, als es zunächst bei uns der Fall sein mag. Allerdings: Profi bedeutet nicht gleich Profi – ein noch junger Drittligaspieler hat zum Beispiel eine ganz andere Finanzsituation als ein Thomas Müller oder ein Marco Reus. Auch im Leistungssport gibt es gravierende Unterschiede. Heruntergebrochen auf uns ist es natürlich nochmal eine ganz andere Ebene, denn wir bewegen uns im ambitionierten Amateursport: Wir haben vom Azubi über den Studenten bis hin zum voll Berufstätigen alles dabei. Natürlich merkt es auch der eine oder andere bei uns, wenn der Zuverdienst erst einmal ausbleibt. Das ist ja ganz logisch. Die Frage der Solidarität beginnt aber zunächst einmal auch in einem gewissen Grundverständnis der Situation gegenüber."
Wie meinen Sie das?
Eric Ranninger: "Ich beziehe es mal auf unseren Verein und unsere Mannschaft: Da hat jeder Einzelne volles Verständnis für die finanziell schwere Lage. Wir müssen zusammenstehen und unseren angemessenen Beitrag für das Gemeinwohl – und in dem angesprochenen Fall konkret für den VfL Pirna-Copitz – zu leisten. Das, was wir betreiben, ist immer noch Amateursport – zwar schon mit einem gewissen Leistungsgedanken und auch zeitlichem Aufwand verbunden, aber unser Standbein haben all unsere Spieler woanders. Und das Vereinsleben zeichnet sich durch Zusammenhalt aus, das können wir jetzt erst recht beweisen. Das Wichtigste ist letztlich, dass der Verein – oder besser gesagt alle Vereine, egal ob jetzt der VfL oder irgendein anderer Fußball- oder Sportklub – diese schwere Phase übersteht."
Nur gemeinsam geht's! Das gilt derzeit erst recht. Foto: VfL
Philipp Kötzsch: "In unserem Fall ist es konkret so, dass der Mannschaftsrat in Kontakt mit dem VfL-Vorstand und der VfL-Geschäftsführung steht. Wir wissen um die aktuelle Situation und sprechen gemeinsam über einen möglichen Verzicht unserer Aufwandsentschädigung, um dem Verein zu helfen. Wir wollen als Team ein Zeichen setzen. Ein Großteil der Mannschaft möchte auch in der neuen Saison für den VfL auflaufen, fühlt sich wohl im Verein und möchte ganz grundsätzlich überhaupt wieder gemeinsam auf dem Rasen stehen – daher ist jeder gefragt, seinen Beitrag zu leisten. Wie Eric gesagt hat, geht’s in diesen Wochen nur gemeinsam. Ich bin stolz, dass wir ein so gutes Klima im Team haben. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Bei uns handelt es sich um vergleichsweise kleine Beträge. Niemand von uns bestreitet auch nur ansatzweise seinen Lebensunterhalt vom Fußball. Außerdem ist es doch meistens so, dass das Gute meistens zu einem zurückkommt. Wenn wir dem Verein jetzt helfen, wird der Verein auch uns helfen, wenn wir mal ein spezielles Anliegen haben. Ich persönlich wünsche mir allerdings auch, dass im gesamten Fußballsystem – von der Spitze bis zur Basis – eine wirkliche Solidarität gelebt wird."
Was stellen Sie sich darunter vor?
Philipp Kötzsch: "Ich bin totaler Fan des Spitzenfußballs, schaue selbst unglaublich gerne Champions League, Bundesliga, 2. Liga oder auch die internationalen Top-Ligen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es die unterklassigen Vereine deutlich schwieriger in der aktuellen Situation haben. Wenngleich es im Spitzenfußball um ganz andere Beträge und auch Arbeitsplätze geht, erzeugen sie gemeinsam eine so große Strahlkraft, Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit, von der der „kleine“ Fußball nur träumen kann. Man muss daher schon aufpassen, dass der unterklassige Fußball in gewisser Weise nicht auf der Strecke bleibt und mögliche Hilfen letztlich auch bei ihm ankommen. Es gibt ja bereits – unter anderem auch von der Spitze angestoßen – erste Initiativen, wie sich das Fußballsystem auch untereinander helfen und sich solidarisch zeigen kann. Das begrüße ich sehr und sollte verstärkt werden. Wenn die Lizenzvereine zum Beispiel viel früher den Spielbetrieb wieder aufnehmen können als der gesamte Amateursport, könnte ein Teil der dadurch generierten Gelder in einen ‚Fonds‘ gegeben werden, der besonders stark betroffenen Amateurvereinen zu Gute kommt."
Ranninger und Kötzsch kicken seit 2019 in Pirna. Foto: VfL
Was vermisst Ihr derzeit am meisten, da Ihr weder spielen noch trainieren könnt?
Eric Ranninger: "Das ist völlig klar – der Ball am Fuß und das Spiel an sich fehlen. Dann aber freilich auch die Mannschaft und die Gemeinschaft, die Kabine, das Gequatsche, die gemeinsamen Fahrten zum Training und zum Spiel. Viele von uns bilden ja auch Fahrgemeinschaften, das ist schon immer ganz amüsant. Wir machen das alles zunächst einmal der Liebe zum Fußball wegen. Jeder von uns kickt gerne, trainiert unter der Woche um am Wochenende maximale Erfolge einzufahren. Es ist schon komisch, wenn man plötzlich so viel Freizeit hat, die man dann noch nicht einmal anderweitig nutzen kann. Es hat ja alles geschlossen (lacht). Ich hoffe, dass das alles möglichst schnell ein Ende hat und wir Enni seinen eingangs erwähnten Platz mal wieder etwas zerpflücken können. Aber momentan stehen halt andere, weitaus wichtigere Dinge auf dem Plan."
Philipp Kötzsch: "So geht’s mir auch. Einfach mit den Jungs zu kicken, auf dem Platz zu stehen oder in der Kabine zu hocken – das vermisse ich. Wir hatten einen richtig guten Lauf in der Landesliga, waren ganz weit vorne dabei und hatten richtig Bock, das bis zum Saisonende durchzuziehen. Wir sind nicht nur eine Mannschaft, sondern auch ein großer Freundeskreis. Daher hoffe auch ich, dass all die aktuellen Maßnahmen greifen und parallel schrittweise Lösungen gefunden werden, damit wir bald wieder unserem gewohnten Leben nachgehen können."
Vielen Dank für das (Whatsapp-)Gespräch, Philipp und Eric, und bleibt natürlich gesund.
Interview: Ronny Zimmermann, VfL-Pressesprecher
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